Christoph Walther hört auf – bewegende Feier am 18.7.
Das war’s also… mag man fast ungläubig fragen, jetzt hat sich also Christoph Walther tatsächlich als Schulleiter verabschiedet?! (Hier dazu die HAZ) Dass 22 Jahre eine lange Zeit sind, ist allen klar, dass und wie aber jemand wie Christoph Walther diese Zeit geprägt hat, ist den Betroffenen vielleicht erst so richtig bei der Feier am 18.7.2014 deutlich geworden (hier Bilder aus unserer Fotogalerie).
Die Anzahl der Reden und Grußworte im gedruckten Programm war nicht gering, und so mancher IGS-Kollege oder -Mitarbeiter mag vor Beginn der Veranstaltung beim Blick darauf und in Anbetracht der Hitze drinnen und draußen gestöhnt haben. Aber es kam alles doch ziemlich anders als befürchtet. Das lag nicht nur an der IGS-typischen Lockerheit, mit der die Feier eingeleitet wurde – einem Spalier der Schülerschaft auf dem Schulhof, durch das der scheidende Schulleiter schritt, „angefeuert“ durch die Sambagruppe der Schule hinter ihm –, eine Lockerheit, die ihr auch in den kommenden weit über zwei Stunden erhalten blieb, sondern auch die Redner selbst spulten keineswegs routinierte Danksagungen ab, ganz im Gegenteil:
Jedem der illustren Ehrengäste merkte man an, wie ehrlich und tief empfunden war, was er oder sie über den künftigen Pensionär (welch unpassender Begriff!) zu sagen hatte bzw. unbedingt sagen wollte, sei es Oberbürgermeister Stefan Schostok, sei es Bundestagsvizepräsidentin und Lindener MdB Edelgard Bulmahn, seien es Bezirksbürgermeister Rainer-Jörg Grube oder Oswald Nachtwey als Sprecher der IGSsen – und ganz besonders Peter Bräth, Staatssekretär im Kultusministerium, der nicht nur ebenso humorig wie die anderen Redner Christoph Walthers vielfältiges, z.T. schlitzohriges Engagement würdigte, sondern ein Geschenk im Gepäck hatte, das nicht passender hätte sein können: die lange und gerade vom Schulleiter immer wieder geforderte Sozialpädagogenstelle für die Schule (siehe hier den HAZ-Beitrag vom 17.7. – und hier die HAZ-„Erfolgsmeldung“ vom 24.7.)! Das beharrliche und erfolgreiche Wirken von Christoph Walther gerade in Bezug auf die Ausstattung der Schule mit Planstellen aller Art ist zweifellos eine seiner hervorstechendsten Eigenschaften gewesen – neben seinem frühzeitigen Engagement in Richtung Integration und später Inklusion (Lindener IGS als „Leuchtturm“…). Aus Schülersicht kommentierte dies alles pointiert-witzig und gekonnt auch Enise Üstkala in einem Grußwort im Namen der SV.
Übrigens: Für manch älteres Kollegiumsmitglied war die launig gemeinte Bemerkung von Staatssekretär Bräth über die „Unregierbarkeit“ der IGS Linden bis Anfang der 90er-Jahre Anlass zum unwilligen Grummeln: Allzu leichtfertig, so empfand man es, wurde hier die Kreativität und eine positiv zu verstehende Abwesenheit von allzu rigider äußerer Ordnung als bloßer Störfaktor hinweggewischt. Dass es durchaus Erhaltenswertes aus dieser ersten Phase der IGS gibt, hätte eigentlich respektiert werden können. Nun ja, man sah dann in Anbetracht des Feier-Anlasses doch großzügig über diesen Fauxpas hinweg.
Während die Gäste eintrafen, wurden Bilder der vergangenen 22 Jahre IGS Linden projiziert, und sie vermittelten nicht nur einen Eindruck von der Vielfalt des Schullebens, sondern zeigten überdies einen Schulleiter, dessen Aussehen sich zwar gewandelt hat (gelungen dokumentiert auch durch die an der roten Wand hängenden Karikaturen aus dem 7. Jg.), der aber immer eine Mischung aus Verantwortung und Freude an einer Arbeit ausstrahlte, deren Erfordernisse ihm sicherlich physisch und psychisch viel abverlangt haben. Umso befriedigender muss es gewesen sein, dass die künstlerischen Beiträge der von Liane Fischer souverän-locker moderierten Feier nicht nur durch ihre Qualität beeindruckten, sondern auch so etwas wie Früchte seiner Arbeit „hinter den Kulissen“ darstellten: Die beiden Szenen aus „Oliver Twist“ mit Schüler/innen aus zwei 7. bzw. 8. Klassen stammten aus dem wenige Tage zuvor im Opernhaus präsentierten und letzten von drei überaus erfolgreichen Tanztheaterprojekten, die Christoph Walther vor vier Jahren mit angeschoben und organisatorisch ermöglicht hatte – die warmen Dankesworte von Steven Markusfeld vom Ballett der Staatsoper nahmen darauf Bezug. Und auch die bewegenden Songs zweier Musikklassen aus dem 6. und 7. Jahrgang mochten daran erinnern, dass es diese Einrichtung vor vielen Jahren wohl nicht gegeben hätte, wenn sie vom Schulleiter nicht zur Chefsache erklärt worden wäre.
Und dann waren da noch die Eltern und das Kollegium. Sie hatten all die Jahre täglich und direkt mit Christoph Walther zu tun, sozusagen in Freud und Leid. Wie sie in der Feier ihre Erfahrungen mit spitzem Witz auf die Bühne brachten, war höchst unterhaltsam, aber es war auch zu spüren, dass da jemand verabschiedet wurde, von dem die Beteiligten wussten, dass er sich nicht zuletzt für sie (und ihre Kinder bzw. Schüler/innen) eingesetzt hatte – bei allen Differenzen im Detail. Dass etwa die – von den Eltern wie einem Kokon wunderbar ironisch dargestellte – Inklusion aktuell noch nicht ausgereift ist, sondern weiter besonderer Zuwendung bedarf, dass die „Umstände“ immer ein Wörtchen mitreden, dass die zeitliche Belastung des Kollegiums an Grenzen stößt, dass Kommunikation immer wieder neu zu buchstabieren ist und und und…, all das paarte sich bei den „Darstellern“ mit Wärme und Sympathie für denjenigen, der 22 Jahre die Verantwortung für die IGS Linden getragen hat, aber nicht allein, sondern gestützt von vielen Schultern, die auch in der C.W.-freien Zukunft dringend gebraucht werden. Wie hieß es so schön im Abschieds-Kanon des Kollegiums-Chores, den schließlich alle Gäste mitsangen: „Wisst ihr, wie’s war über zwanzig Jahr‘: Vieles lief gut und wunderbar. Christoph weiß, was müsst‘ gescheh’n, dass alles perfekt wird. Doch nun muss er geh’n.“ Tja… Versüßt wurde der Abschied durch allerlei materielle Geschenke, aber auch von Kollegin Nicola Helmich, die ein jazziges Liebeslied George Gershwins augenzwinkernd und mit großer, ausdrucksstarker Stimme (ohne Mikrofon!) an ihren scheidenden Chef adressierte.
Was Achim Bahr, stellvertretender Schulleiter, zu Beginn der Feier als das eindrücklichste Erlebnis mit Christoph Walther hervorhob, soll hier am Schluss stehen, da es vielleicht am besten illustriert, wer und wie er war. Frühjahr 2005. Rita Ebeling, eine gleichermaßen kompetente wie lockere, lebenslustige und warmherzige Frau, offiziell Sekretärin, aber viel mehr als das, nämlich über Jahrzehnte in den Augen Aller so etwas wie die „Seele der Schule“, wird plötzlich schwer krank und verliert schließlich einen aussichtslosen Kampf gegen den Krebs innerhalb weniger Wochen. Kollegium, Mitarbeiter, Schüler/innen – alle sind voll verzweifelter Trauer, aufgewühlt, wie in Schockstarre. Und Christoph Walther muss einerseits schauen, dass die tägliche Arbeit im Sekretariat weiter funktioniert, andererseits eine Trauerfeier organisieren – beides fordert bereits viel Energie –, nicht zuletzt aber selber den Verlust eines so geschätzten Menschen bewältigen. Und dann kommt diese Trauerfeier in der überfüllten Friedhofskapelle, mit bewegten und bewegenden musikalischen Beiträgen, mit den vielen sprachlosen Trauernden aus Ritas Familie und aus der Schule. Was dort Christoph Walther mit seiner durch und durch persönlichen Ansprache schafft, ist enorm: Die Sympathie, ja geradezu die Liebe der Anwesenden bekommt Worte, die nicht nur eine würdevolle Trauer ausdrücken, sondern auch in gewisser Weise Hoffnung für eine Zukunft eröffnen, die „unsere“ Rita gewollt und mit ihrem Lächeln begleitet hätte. In diesem Moment ist da ein Mensch, der wirklich zu „leiten“ versteht – vor allem mit dem Herzen.
Danke, Christoph Walther, für diese zweiundzwanzig Jahre!
(M.A.)