„Vom Werden und Wachsen des Hauses am Berg“ – bejubeltes Lehrer-Kabarett zum Jubiläum
Es waren nicht nur äußerst unterhaltsame und vom Publikum begeistert aufgenommene, sondern auch in mehrfacher Hinsicht denkwürdige Aufführungen, diese zwei Abende mit dem Theaterstück Vom Werden und Wachsen des Hauses am Berg am 5. und 12. Oktober 2011 (hier sehen Sie Fotos von der Premiere).
Zum einen präsentierten auf der Bühne einmal nicht Schülerinnen und Schüler, sondern deren Lehrerinnen und Lehrer ihre schauspielerische und musikalische Arbeit. Zum anderen verabschiedete sich sozusagen – in seinem letzten Schuljahr – der Autor der IGS Linden schlechthin, Rolf Hackmann, auf seine unnachahmliche Weise. Und schließlich gab’s für alle, die sich wehmütig, ärgerlich oder schmunzelnd erinnern, und auch für jene, die sich als Jüngere kaum vorstellen können, was sich so ereignen kann in 40 Jahren, die Geschichte der Schule und der Pädagogik im Zeitraffer.
Wer in die Gesichter der Akteure schaute, konnte bemerken, dass sich da einiges mischte: ätzender Spott oder Kopfschütteln ob so mancher Absurditäten, aber auch eine fast trotzige Sympathie für jene Einrichtung, die (nicht nur ihr Berufs-) Leben prägt – und vor allem: Lust am Spiel! Wenn Rolf Hackmann selbst als Narr bzw. „Moderator“ den Fortgang antreibt oder schelmische Kommentare gibt, zeigt sich dies ebenso wie beim schrägen Auftritt des „Methodenpapstes“ Klippert alias Horst Grillo (inkl. verblüffendem Zauberkunststück!) samt naiv-anhimmelnden bzw. kritisch-intellektuellen Interviewern Liane Fischer und Karsten Böger, bei der so engagierten wie abstrusen, gesamtkonferenzähnlichen Diskussion über einen alternativen Schulnamen nebst Auftritt der Amtspersonen Arno Nühm und Theo Retisch (behördig und medienprofessionell: Liane Fischer und Horst Grillo) ebenso wie beim Brainstorming über die passenden Namen der „Kronrats“-Mitglieder, beim Running Gag des zeitfensterputzenden und über die Bühne wirbelnden Volkmar Alms ebenso wie bei den Litaneien über Erfolge und Vorzüge der Schule am Ende beider Akte – und während der gesamten knapp zwei Stunden bei den Wortgefechten zwischen „Veteranen“ und Neu-IGSlern: Renate Bastian, Angela Drescher und Karsten Böger gaben nostalgisch, kämpferisch oder abgeklärt die älteren, Anne Reinke, Benjamin Drobeck und Sascha Schwarze frech, engagiert oder einfach cool die jüngeren Kolleg/innen des „Hauses am Berg“. Dass dessen Anfänge offenbar in einem verklärenden Dunst liegen, bringt Letztere auf die Palme, während zeitgeistbedingte Hypes die Ersteren an dunkle Zeiten erinnern („Angst vor der Heiligen Inklusition“). Einig waren sich Alt und Jung darin, dass sie und ihre Arbeit „nicht umsonst zu haben“ sind – der im Chor effektvoll skandierte Slogan am Ende des ersten Teils hatte zwar etwas von einer Karikatur (einer Demo), spiegelte aber auch unverkennbar jene Bitterkeit oder Wut wider, die Pädagogen angesichts der gesellschaftlichen Realität überkommen kann.
Zum Stück gehörte untrennbar die Musik, in atmosphärischer wie in dramaturgischer Hinsicht. Die ersten lauten Lacher gab’s beim Sprechchor „Ach damals … was waren das für Zeiten!“, gefolgt von jenen beim szenischen „Dadideldum, der Kommissar geht um“ (Falco) als Anspielung auf die Begrüßung eines kommissarischen Schulleiters in den 80er Jahren; genüsslich wurde die Methodenmanie à la Klippert mit Anleihen bei TV-Serien- („Flipper“) und Volksmusik („Es klappert die Mühle…“) zelebriert, und den musikalischen Höhepunkt bildete eine Art DDR-Hymnen-Entlarvungs-Potpourri zum Mauerfall 1989. Alle Texte, auch zu den Schluss-Stücken, „House of Linden Hill“ und „Nur am Berg…“ (nach „Only You“), stammen aus Rolf Hackmanns spitzer Feder, die Chor-Arrangements schrieb Marcus Altmann. Ergänzt wurde der Auftritt des stimmschönen und -gewaltigen Lehrerchors durch solistische Einlagen von Jürgen Morgenstern, der souverän und voluminös so Unterschiedliches zum Besten gab wie das „Drogeneinstiegslied“ Hannes Waders („Cocaine all round my brain“) und die Arie „Auf zum Kampfe“ aus Mozarts „Entführung aus dem Serail“. Und schließlich steuerte Horst Grillo an einigen Stellen passende Trommel- und Gitarrenklänge bei.
Ins rechte Licht gerückt wurde das „Werden und Wachsen“ durch Christian Nolting, der die Scheinwerfer im Forum eingerichtet hatte und, schieberregelnd am Mischpult, den Akteuren jederzeit das Gefühl gab, in der richtigen Szene zu sein.
Rudi Pohls von den Akteuren am Schluss des Abends enthusiastisch gefeierte Regie bescherte dem Publikum alles, was man von einem kabarettistischen Theaterabend erwarten kann: Tempo und „Verschnaufen“, nötige Schärfe und melancholische Anwandlungen, groteske Choreografien – und ein augenzwinkernd jubelndes Finale.
Großes Kino!
(M.A.)