Inklusive Kletter-AG an der IGS Linden
Oguzhan hat ein halbes Jahr gebraucht, um endlich den Ausblick aus 12 Metern Höhe in der Kletterhalle am Uni-Campus genießen zu können. Dafür hat der Siebtklässler mit Förderbedarf im Bereich Lernen sogar seine Höhenangst überwunden und wird von seinen Mitschülerinnen und Mitschülern vom Boden aus gefeiert.
Wenn Oguzhan nicht klettert, dann sichert er seine Mitschülerinnen und Mitschüler, z.B. Filiz (8. Klasse), die mit einer Leichtigkeit die Wände hochsteigt, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes gemacht. Inga aus der 9. Klasse klettert zusammen mit Aaron, der sich im Abitur befindet, im Vorstieg, d.h. sie geht in einer Kletterroute voran und muss alle zwei Meter selbst das Seil in eine Sicherung hängen, um Stürze in die Tiefe zu vermeiden. Dabei muss sie sich stets auf die Aufmerksamkeit ihres Partners verlassen können.
Auch Jakob kommt seit zwei Jahren zur Kletter-AG. Seine Hörschädigung beeinträchtigt ihn hier gar nicht und er sichert und klettert zuverlässig und sicher. Alle wissen von seinen Hörschwierigkeiten und statt laut zu rufen, wird über Blickkontakt kommuniziert.
In letzter Zeit wird die Inklusion häufig für gescheitert erklärt. In der Kletter-AG ist davon nichts zu spüren. Im Gegenteil: Hier wirken alle Schülerinnen und Schüler zusammen, unabhängig vom Alter, Herkunft und Können, je nach ihren Stärken, Interessen und Vorlieben. Dabei kommt es nicht darauf an, wie gut jemand klettern kann, sondern darauf, wie sehr man dem anderen vertraut. Beim „Sturztraining“ lassen sich die Schülerinnen und Schüler absichtlich beim Klettervorgang fallen, um das Fallen zu erleben und Vertrauen in den Sicherungspartner zu erhalten. Hier spielen die zahlreichen Unterschiede nie eine Rolle – nur das Gelingen der Sturzübung, nur das Vertrauen zueinander. Das Erleben von gegenseitigem Vertrauen und Zuverlässigkeit schafft wiederum Respekt voreinander.
Lennart ist bereits seit zwei Jahren in der Kletter-AG und sichert lieber als zu klettern. Zwar wagt er sich stets auch an die bunten Griffe der Wand, aber meistens bedanken sich die Anderen bei ihm für das hervorragende Sichern. Ohne Lennart wären viele nicht so weit gekommen, wie sie wollten.
(S. Rödiger)